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INTERVIEW mit Julia Stoschek, Sammlerin (Düsseldorf)

Susanne Hinrichs und Georg Elbn anläßlich der Videonale 12, Kunstmuseum Bonn





Georg Elbn/Susanne Hinrichs: Warum sammeln Sie Medienkunst?
Julia Stoschek: Ich sammle Medienkunst, weil mich dieser spezielle Bereich der Kunst fasziniert. Das hängt sicher auch mit meinem Alter zusammen. Ich bin Jahrgang `75 und in eine Zeit hinein geboren, in der auch im familiären Bereich viel auf Video aufgezeichnet wurde. Meine Großmutter war eine große Filmerin und meine Eltern sind sehr an Technik interessiert. Ich bin mit diesem Medium aufgewachsen und hatte damit nie Berührungsängste. Bildende Kunst spielte in unserem Haushalt keine große Rolle, aber die Videotechnik war für mich immer präsent. Als ich dann anfing, mich in den Kunstbereich einzuarbeiten und mit der Bildenden Kunst zu beschäftigen, war Video für mich etwas ganz Vertrautes. Natürlich spielt auch das Fernsehen, die Werbung und MTV für meine Generation eine besondere Rolle, so dass ich dieses technische Medium als etwas ganz Natürliches empfinde.

GE/SH: Wie bauen Sie Ihre Sammlung auf? Nach Marktwert, mit Hilfe externer Berater oder nach Bauchgefühl?
JS: Auf jeden Fall Letzteres. Der Marktwert spielt eigentlich gar keine Rolle, denn ich glaube, wenn man Kunst als Investitionsobjekt betrachtet, dann ist Video das am wenigsten geeignete Medium. Ich habe auch keine externen Berater; ich habe ein wunderbares Team hier in Düsseldorf, mit dem ich sehr eigenständig arbeite. Außerdem gibt es ein tolles Netzwerk, innerhalb dessen ich mich gerne austausche. Daneben schaue ich mir viele Ausstellungen an. Die Entscheidung treffe ich aber immer selber – teilweise aus dem Bauch heraus, aber immer im Hinblick auf das Gesamtkonzept der Sammlung.

GE/SH: Was ist bei einem Videokauf entscheidend?
JS: Eine Arbeit muss mir gefallen. Entscheidend ist, dass sie mich fasziniert, mich irritiert, mich verwirrt, mich nicht mehr loslässt. Es gibt eigentlich kein Video in der Sammlung, an das ich mich nicht erinnern kann.

GE/SH: Wo finden Sie neue Arbeiten?
JS: Überall. Ich reise und lese viel, besuche zahlreiche Ausstellungen. Ich bin ein absolut visueller Mensch. Ich schaue mir einfach so viel wie möglich an. Inzwischen hat sich die Sammlung aber auch so weit etabliert, dass wir häufig Arbeiten zugeschickt bekommen. Darüber hinaus besuche ich natürlich viele Galerien und Ateliers.

GE/SH: Wie lebt man mit einer Videosammlung? Sehen Sie sich die Videoarbeiten abends auf dem Sofa an?
JS: Naja, auf dem Sofa nicht so oft, obwohl natürlich auch dort ein Beamer installiert ist und die Möglichkeit bestünde. Es ist etwas sehr spannendes und ungewöhnliches, in einem Haus mit einer Sammlung so eng zusammenzuleben. Das bringt allerlei Vorteile mit sich, aber auch die eine oder andere Unannehmlichkeit; zum Beispiel wird die Privatsphäre während des Umbaus oder wenn Besucher im Haus sind schon in gewisser Weise eingeschränkt. Auf der anderen Seite ist es ein so großer Glücksfall, dass ich es bisher noch keinen Tag bereut habe, dieses Haus zu öffnen und mit der Sammlung zu leben. Immer wenn ich durchs Haus laufe, was ja jeden Tag oft passiert, bleibe ich vor einer Arbeit stehen und schaue sie mir einen Moment an. Damit ist meine Sammlung für mich täglich präsent.

GE/SH: Wo bleiben Sie denn stehen? Gibt es Lieblinge?
JS: Es ist ja so, dass die Ausstellungen immer ein Jahr laufen; das war für mich ein großes Experiment, denn ich befürchtete, bei einer so langen Dauer könnte sich irgendwann Langeweile einstellen, zumal ich in diesem Haus auch lebe. Aber das war überhaupt nicht der Fall, ich war vielmehr sehr traurig als die erste Ausstellung nach einem Jahr abgebaut wurde. Dennoch wechselt die Beliebtheit der einzelnen Arbeiten innerhalb eines Jahres schon; es gibt Arbeiten, die ich vielleicht etwas lieber gewonnen habe, als andere. Da entstehen schon Prioritäten, dennoch gibt es eigentlich keine Arbeit, die ich nicht mehr sehen möchte.

GE/SH: Wie viele Werke umfasst die Sammlung heute insgesamt?
JS: Ich weiß es gar nicht ganz genau; ich denke, um die 400.

GE/SH: Sie betonen, dass Sie Künstler Ihrer Generation besonders interessieren; für wie relevant halten Sie kunsthistorische Vorbilder innerhalb Ihrer Sammlung?
JS: Sie sind ganz wichtig. Was den Aufbau der Sammlung angeht, versuche ich, einen Überblick zu schaffen, angefangen bei den sechziger Jahren bis zu aktuellen Positionen. Es funktioniert wunderbar, historische Arbeiten mit Arbeiten der jüngeren Generation in Bezug zu setzen, da sich immer noch viele junge Künstler an den älteren Position orientieren und davon beeinflusst werden.

GE/SH: Eine konzeptuelle Überlegung für eine Sammlung ist, ob man möglichst viele Künstler oder von einem Künstler mehrere Arbeiten sammeln möchte. Wie gehen Sie vor?
JS: Auf jeden Fall Letzteres. Ich bin absolut daran interessiert, Werkgruppen zu sammeln, und einzelne Künstler langfristig zu begleiten. So versuche ich, Schlüsselarbeiten zu bekommen und gleichzeitig mehrere Arbeiten eines Künstlers zu erwerben. Das macht Sinn sowohl für spätere Zeiten, als auch für den Leihverkehr mit anderen Institutionen.

GE/SH: Sammeln Sie ausschließlich vorhandene Werke oder unterstützen Sie auch Künstler bei der Produktion von Arbeiten?
JS: Das tue ich auch. Das Sammeln an sich verstehe ich als einen Prozess. Die eigentliche Auseinandersetzung beginnt allerdings erst nach der Auswahl des Werkes und dem Ankauf. Wenn die DVD oder das Digibetacam in der Sammlung ankommt, dann beginnen die Fragen: wie wird die Arbeit dokumentiert, wie archiviert oder konserviert, präsentiert und ausgestellt. Das Sammeln beginnt für mich also eigentlich erst in dem Moment, wo sich die Arbeit tatsächlich in der Sammlung befindet.

GE/SH: Werden die Künstler in den Entscheidungsprozess, wie die Arbeit präsentiert wird, einbezogen?
JS: Ja, absolut. Das ist ein maßgebliches Konzept dieses Hauses, dass wir im Rahmen der Ausstellungsplanung alle Künstler anschreiben; die Künstler kommen entweder selbst oder schicken ihre Teams. Wir bekommen viele Anweisungen für den Aufbau und die Installation und versuchen möglichst alles umzusetzen, was die Künstler vorgeben.

GE/SH: Das heißt, eine Arbeit, die in den 60er Jahren für einen Monitor entstanden ist, die sie jetzt in Überlebensgröße als Beamerpräsentation zeigen, was wunderbar funktioniert, ist auch mit dem Künstler abgesprochen?
JS: Bei den historischen Arbeiten ist das natürlich schwieriger; da machen wir dann auch schon mal eine Ausnahme.

GE/SH: Also, Bruce Nauman beispielsweise ist nicht in diese Präsentation involviert?
JS: Nein. Eigentlich handelt es sich hierbei um eine 4-Kanal-Arbeit, aber ich habe mir aus kuratorischen Gesichtspunkten erlaubt, sie hintereinander zu zeigen, wie sie auch schon mal in Berlin zu sehen war. Für mich war die Verbindung der beiden Ebenen und die Blickachsen für die Gesamtkomposition der Ausstellung entscheidend.

GE/SH: Kuratieren Sie Ihre Ausstellungen alleine oder mit externen Mitarbeitern?
JS: Ich mache das wirklich alleine, obwohl ich ja keine Kuratorin bin. Aber ich bin so eng mit dieser Sammlung und mit diesem Haus verbunden, dass es mir sehr schwer fällt, mich davon zu trennen. Das ist einerseits ein großes Wagnis, macht aber die Ausstellung auch sehr persönlich. Für mich ist sowieso das ganze Haus, die ganze Sammlung, eine sehr emotionale Angelegenheit und gerade diese zweite Ausstellung ist so persönlich geworden, dass die Auswahl sicherlich in dem einen oder anderen Punkt meine persönliche Gefühlswelt widerspiegelt.

GE/SH: Auffällig sind viele Performances und körperbezogene Arbeiten. Meinen Sie das, wenn Sie von persönlichen Arbeiten sprechen?
JS: Ja, das ist ein ganz großes Interesse meinerseits. Die erste Ausstellung hatte den Titel „Destroy, She Said“ und thematisierte die Bereiche Konstruktion / Dekonstruktion, vor allem Zerstörung und Wiederaufbau, weil das genau die Themen waren, die mich dreieinhalb Jahre während der Umbauzeit dieses Hauses sehr beschäftigt haben. Rückblickend kommt mir die erste Ausstellung fast brachial vor; es war alles sehr räumlich. In der „Number Two“ sollten dann zunächst nur die ‚New Accquisitions’ präsentiert werden – angelehnt an die Vorgehensweise vieler amerikanischer Sammler. Dann entwickelte sich aber im Rahmen der Ausstellungsplanung und bei Sichtung des Sammlungsbestandes der Wunsch, sich mit Fragilität und Körperlichkeit zu beschäftigen. Folgerichtig beschäftigen sich die Arbeiten in der Ausstellung mit Aspekten des Schmerzes, der Transformation, Selbstinszenierung oder dem menschlichen Körper an sich. Das Thema Performance ist in diesem Zusammenhang besonders wichtig für mich und soll in der dritten Ausstellung thematisiert werden; mein Herz schlägt für die Performance.

GE/SH: Diesen roten Faden bemerkt man, er macht die Ausstellung eleganter. Das liegt aber sicher auch daran, dass die historischen Klassiker so sehr mitreißen – obwohl sie schon über dreißig Jahre alt sind – und sozusagen ein Fundament bilden: Vito Acconci, Bruce Nauman, Hanna Wilke.
JS: Wir haben ja auch die Architektur komplett verändert. Das zweite Stockwerk wurde geöffnet, so dass ganz andere Blickachsen innerhalb der Ausstellung entstehen. Ich finde, dass gerade die sich dadurch ergebende Möglichkeiten, mehrere Arbeiten auf einen Blick zu sehen – was bei Video wirklich schwierig ist – sehr schön geworden sind. Unsere Präsentation von Bruce Nauman wird so absolut stimmig.

GE/SH: Damit wird auch die Frage der Präsentation noch einmal wichtig; in dem Moment, in dem man die Blickachsen stärker öffnet – und diese Frage stellt sich bei der Videonale auch immer wieder – hat man mehr Probleme mit dem Sound.
JS: Absolut. Sound ist nach wie vor das Hauptproblem und wird es auch immer bleiben. Wir versuchen, da ich weder im Privat- noch im Ausstellungsbereich ein Freund von Teppichen und Vorhängen bin, mit Soundschleusen zu arbeiten, also mit Trennwänden, die aus Sound absorbierendem Material bestehen. Das funktioniert eigentlich ganz gut, sobald aber mehrere Arbeiten mit Sound gezeigt werden ist ein ‚Soundknäuel’ oft unvermeidbar!

GE/SH: Damit präsentieren Sie mehr als eine temporäre Ausstellung, nämlich eher eine museale Einrichtung, also etwas, das auf Dauer angelegt ist.
JS: Ich vergleiche mich eigentlich nicht mit einem Museum, weil ich mich als Privatsammlerin sehe. Es gibt die öffentlichen Institutionen, die ich am liebsten noch viel gestärkter sehen würde, als sie es momentan sind. Mein Haus kostet keinen Eintritt, es ist nach Anmeldung öffentlich zugänglich, aber wir sind, wie gesagt, kein Museum, sondern eine Privatsammlung.

GE/SH: Damit stellen Sie natürlich die Frage nach der heutigen Rolle eines Museums. Ihre Initiative wird hier in Düsseldorf doch vor allem als Ansporn gesehen, oder?
JS: Ich sehe meine Einrichtung als Ergänzung zur Museumslandschaft. Ich schätze die hiesigen Institutionen sehr und finde es großartig, wenn hier eine Zusammenarbeit entsteht, wie sie auch schon stattgefunden hat, zum Beispiel mit KIT (Kunst im Tunnel). Mein Haus soll überhaupt keine Konkurrenz sein, sondern eine Erweiterung.

GE/SH: Noch einmal nachgefragt: Was ist die Rolle von Museen heute? Was kann eine private Initiative erreichen, was muss das öffentliche Museum leisten?
JS: Ich bin diesen Weg des privaten Museums aus freien Stücken gegangen. Ich setze mich der Öffentlichkeit und damit auch einer gewissen Kritik aus. Ich möchte aber den Zugang in die Sammlung unentgeltlich ermöglichen, denn es handelt sich ja um Arbeiten, die ich privat gesammelt habe; es sind die Arbeiten, die ich für mich gekauft habe, die mir gefallen. Natürlich freue ich mich, wenn Menschen kommen und sich die Ausstellungen ansehen, aber es ist und bleibt meine Privatsammlung. Ein Museum hat hier noch einen übergeordneten Vermittlungsanspruch und insofern gibt es schon einen klaren Unterschied zwischen einer solchen Einrichtung und mir.

GE/SH: Die Öffentlichkeit, die Vermittlung der Sammlung an ein breites Publikum, ist Ihnen schon sehr wichtig?
JS: Ja, die Vermittlung ist wahnsinnig wichtig und Bestandteil des Hauses. Darum bieten wir auch jeden Samstag zwei Führungen an, die gut angenommen werden. An den Führungen kann man teilnehmen, man muss aber nicht. Jeder soll sich in der Ausstellung frei bewegen können.

GE/SH: Ist es denn der richtige Weg, ein Museum oder eine räumliche Situation , die man nicht Museum nennen möchte, nur für Video und Medienkunst einzurichten, oder müssten die Medien nicht stärker gemischt werden? In Ihrer Sammlung haben Sie ja auch Fotografie und skulpturale Arbeiten.
JS: Wie gesagt, ich bin private Sammlerin und möchte mich nicht einschränken. Ich besitze auch Malerei, ich liebe die Fotografie und eben auch Skulptur. Am meisten Spaß machen mir Rauminstallationen, weil es mich fasziniert, wie Arbeiten sich im Raum integrieren. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass in den nächsten Jahren Werke auch aus anderen Bereichen dazukommen, wobei der Schwerpunkt dieses Hauses ganz klar auf der Medienkunst liegt. Dieses Medium fasziniert mich nach wie vor so, dass ich mir denke, dass sich daran erst mal nichts ändert.

GE/SH: Haben Sie schon Pläne für die nächste Ausstellung 2009?
JS: Die nächste Ausstellung, die “Number Three“, wird ganz anders. Zu viel kann ich noch nicht verraten, weil wir hier noch in der Planung sind, aber es wird, wie ich schon angedeutet habe, auf jeden Fall einen Schwerpunkt auf Performances geben.

GE/SH: Medienkunst ist sehr unspezifisch; wenn man Videokunst sagt, kann man sich noch eher etwas darunter vorstellen. Deswegen nennt sich die Videonale ja auch immer noch ganz anachronistisch „Videonale“ ...
JS: Im MoMA haben wir gerade für das Department, in dem ich auch Mitglied der Ankaufskommission bin, und welches sich früher „Department on Media“ nannte, den neuen Begriff „Time-Based Media“, also "Zeitbasierte Medien" eingeführt. Das ist eigentlich der richtige Titel und die richtige Definition, auch für das, was ich sammle.

GE/SH: Noch eine Frage zum Abschluss: Wie wichtig sind für Sie Festivals wie die Videonale, um sich zu informieren?
JS: Ich bin ein ehrlicher Mensch. Deshalb muss ich zugeben, dass ich außer in Oberhausen oder in Köln, bisher auf keinem Filmfestival oder einer derartigen Veranstaltung war. Aber ich freue mich natürlich wahnsinnig, dass es so etwas wie die Videonale gibt, und dass ich durch dieses Gespräch etwas mehr Einblick bekomme. Natürlich werde ich bei der nächsten Videonale vorbeischauen.

GE/SH: Das freut uns und wir danken Ihnen für das Gespräch.